Büssing Emmelmann Hochdecker BJ 59
Mit 62 Jahren könnte der vorletzte seiner Art eigentlich in „Rente“ gehen, doch Gröschel Reisen aus Zella-Mehlis hat Großes mit dem außergewöhnlichen Oldtimer vor.
Schon bald soll dieses prächtige Gefährt, mit dem stolzen Braunschweiger Löwen im Emblem, die Nostalgie-Flotte im Fuhrpark anführen. Neue reizvolle Ausfahrten sind bereits fest im Programm geplant. Oldtimer-Fanherzen werden bei diesem Anblick wohl ebenso, wie beim Busunternehmer Volker Gröschel selber, vor Freude im Viertakt schlagen.
Ein langer, schicksalhafter Weg liegt zwischen dem Tag als er 1959 in den Büssing Werken, einer ehemalig stillgelegten Wäscherei in der Elmstraße in Braunschweig, vom Band rollte bis 2021 als er mit Hilfe eines Tiefladers, sein Ziel in der Talstraße in Zella-Mehlis erreichte.
Das „Mutterschiff“, die 1903 gegründete Büssing AG entwickelte sich in kurzer Zeit zu einem der größten Anbieter von Omnibussen und Lastkraftwagen in Mitteleuropa. Sie waren Spezialisiert auf Fahrzeuge mit Unterflurmotoren, bauten stabile Chassis und brachten ihre Modelle mit hochfunktionalen Achskonstruktionen zum Laufen.
Parallel firmierte sich bereits zur Zeit der Gründerjahre des Deutschen Kaiserreichs im Jahre 1896 das hannoversche Unternehmen Emmelmann. Der gelernte Stellmacher Emil Emmelmann konstruierte die Aufbauten von Kutschen und später Lastkraftwagen bis es Anfang der 50er Jahre zu einer Kooperation mit den Büssing Werken kam und fortan beinah alle Karosserien für die Braunschweiger Fahrgestelle gefertigt wurden.
Heute, mehr als 60 Jahre später, ist bekannt, dass der erste Besitzer Firma Lindmüller aus Hannover, das gute Stück nach einer Dekade im Einsatz als Reisebus, Anfang der 70er Jahre an einen Privatliebhaber abgegeben hatte. Dessen Absichten, diesen Omnibus in ein Wohnmobil umzubauen wurden (zum Glück) nie umgesetzt. Stattdessen fand er einen Unterstand in einer Niedersächsischen Scheune auf dem Lande, wo er über díe Jahre in Vergessenheit geriet.
Der Eigentümer verstarb, die Scheune verfiel Zusehens. Wind und Wetter zerbarsten den Dachstuhl, Pflanzwerk wucherte durch alle Öffnungen bis ins Innere, wo noch immer der vergessene Schatz hoffnungsvoll auf seine Wiederentdeckung wartete.
Und tatsächlich, bevor das baufällige Gebäude den Oldtimer unter sich begraben konnte, kam das Schicksal zur Hilfe. Nur wenige Monate nach einem Oltimer Treffen im November 2019, welches just in den „Heiligen Hallen“ der Familie Gröschel stattfand, machte sich anderen Orts in Sachsen Anhalt ein Fahrzeughändler auf den Weg nach Niedersachsen auf der Suche nach einem LKW. Seine Suche führte ihn in die entlegensten Winkel und so auch zu dieser Scheune. Ein neugieriger Blick ins Innere entpuppte sich als Glücksfall. Denn der Büssing TU 7 stand in nahezu einwandfreiem Zustand für sein Alter auf der trockenen Seite der Ruine und hoffte seinerseits auf einen möglichen neuen Besitzer, der ihn befreien würde.
So auch geschehen. Aufwendig wurde das Dach durch ein Baugerüst abgestützt und das betagte Gefährt erblickte zum 2. Mal das Licht der Straße. Der Händler aus dem anhaltischen Calbe wusste sofort um dessen Einzigartigkeit. Er lichtete den Fund begeistert von allen Seiten ab und teilte die Bilder. Nur kurze Zeit später klingelte das Telefon von Volker Gröschel. Eines der Fotos hatte einen Teilnehmer des erwähnten Oldtimer Treffens erreicht.
Oldtimer Freunde zeichnen sich durch technische Begeisterung, ein großes Herz für alte Dinge und ein gutes Netzwerk aus. Aber vor allem kann Jeder dazu gehören ob jung oder alt, vom Unternehmensführer bis zum Garagentüftler. Vom Fahrzeughändler bis zur unbekannten Omi, welche vor Begeisterung an ihrem Fenster ganz aus dem Häuschen geraten war, als der Bus ins Freie gerollt wurde. „Das glaube ich ja nicht, zum letzten Mal habe ich als junge Frau in so Einem gesessen.“
So vielfältig war auch die Teilnehmergruppe dieses Treffens in Zella-Mehlis gewesen. Selbst der Leiter des Neoplan Werkes und Träger des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, Dr.-Ing. E.h. Konrad Auwärter, hatte sich die Ehre gegeben.
Ein weiterer Vertreter dieser beliebten Zusammenkünfte war der engagierte Organisator Gerd Lamping, welcher nun am anderen Ende der Leitung von dem Sensationsfundstück erzählte. Nur ein WhatsApp-Foto später entschloss sich der Reisebus Unternehmer und Oldtimer Liebhaber Volker Gröschel das Vehikel ungesehen und mit vor Freude rasendem Puls zu erwerben.
„Ja, DER soll hier in Thüringen seine neue Heimat finden und mit ein bisschen Glück und liebevoller Restauration wird er zu neuem Leben erwachen.“
Begeisterung löste das unvermittelt einfache Aufheulen des laufenden Motors bei allen Beteiligten aus, nachdem er einen längst überfälligen Ölwechsel erhalten hatte. Tatsächlich lag laut originalen Werkstattanhängern am Ölstutzen die letzte Durchsicht ganze 48 Jahre zurück.
Jetzt ist auch das Lindmüller Grün dem klassischen Gröschel Rot gewichen. Nur wenige Handgriffe sind noch nötig um dieses einstige Flaggschiff der Reisebranche im neuen Glanz erstrahlen zu lassen und ihn wieder für den Verkehr mit reiselustigen Gästen in Dienst zu bringen.
Er wird hierzulande der Einzige noch in Dienst stehende TU 7 Hochsitzer von Büssing / Emmelmann sein. Wer dieses Angebot nicht nutzt müsste schon nach Finnland reisen um das bisher letzte fahrende Modell zu besichtigen.
Diese Geschichte zeigt, dass das Jahr 2020 auch Gutes hervorgebracht hat. Denn ohne den Corona bedingten Shutdown hätte einfach die Zeit gefehlt diese wundervolle Geschichte zu einem glücklichen Ende sowohl für den Bus als auch für den Reiseunternehmer und nicht zuletzt für alle Gröschel-Fans zu bringen.